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„Ansichten eines Flavers“

– Elektronische Kurzgeschichten aus dem Kessel

Die Liebe

(Chapter 01)

Im Grunde genommen kannte ich Sie seit frühester Kindheit. Um genau zu sein, traf ich Sie bereits kurz nach meinem ersten Betreten des Wohnzimmers meines Elternhauses. Spätestens jedoch zwei Tage bevor ich meinen ersten Kindergartentag hatte.

Damals, im Jahre 1980 – (Helmut Schmidt war noch ein echter Kanzler, die RAF sorgte für Angst und schwitzige Hände bei den Großkapitalisten und Falco gelang einer der wenigen deutschsprachigen No. 1 Hits in den USA), gab es kaum Krippen, Kinderhorts oder -tagesstätten. Kinder gaben als Berufswunsch noch Lokführer, Kaufmann oder Friseurin an, statt Superstar, Supermodel oder am besten gleich Superdepp als spätere Einnahmequelle sich auszumalen. Das durchschnittliche Kind wurde mit drei Jahren, fein säuberlich von der Früherziehung im Elternhause vorbereitet, im „Kindi“ angemeldet und drei Jahre mit Spiel, Spass und – ACHTUNG – guter Laune, auf die anstehende Schullaufbahn getrimmt.

Zwei Monde vor meiner Einweisung in den städtischen Kindergarten zu Maichingen jedoch, packte mich meine Mutter in unseren dunkelgrünen Simca Horizon und ich fand mich in der Musikschule und der musikalischen Früherziehung wieder.

Natürlich konnte ich zu diesem Zeitpunkt längst alle Texte von Hannes Wader und anderer Liedermacher auswendig, mein musikalisches Geschick und vor allem meine Liebe zur Musik sollten sich aber später erst so richtig zeigen.

Da ich mich dummerweise auch noch zu einem äußerst passablen Fußballer entwickelte und nach Glockenspiel und Blockflöte das falsche Musikinstrument für meine weitere musikalische Ausbildung wählte, gerieten Noten, Notenlinien, Pausen und das Musizieren allerdings für viele, viele Jahre ins Hintertreffen. Später kamen auch noch Frauen, Zigaretten, Alkohol und Drogen dazu – ja, in dieser Reihenfolge – was mich vollends eine evtl. Musikkarriere kostete.

Aber es war Liebe! Und als aller Sturm und Drang vorüber war, ich zum wiederholten Male am Scheideweg bzw. vor den Scherben meines jungen Lebens stand, lief Sie mir erneut über den Weg und ich versprach, Sie zu lieben und zu ehren…bis das der Tod uns scheidet.

Wenn man(n) die Musik verstehen und lieben lernt, dann fühlt man jede Note. Jedes Break, jedes Intro, jedes Outro. Die Emotionen überkommen einen, egal wo man bestimmte Musik zu hören bekommt. So kann es einem passieren, dass man feuchte Augen bei Celine Dion bekommt, wenn Sie am Arbeitsplatz „Because You loved me“ schmettert. Tausend mal habe ich erlebt, wie Musik mich innerhalb weniger Sekunden aus einer Laune heraus holt oder auch zutiefst melancholisch werden lässt.

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